Mit Insolvenzverschleppung (früher Konkursverschleppung) wird die unterlassene Stellung eines Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens trotz Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung bezeichnet. Die Insolvenzverschleppung ist als Straftat in § 15 a InsO (Insolvenzordnung) geregelt.
Insolvenzverschleppung betrifft nur juristische Personen (GmbH, AG)
Die Verpflichtung zur Insolvenzantragstellung trifft ausschließlich juristische Personen. Nur die für diese juristischen Personen Handlungsbevollmächtigten können sich daher wegen Insolvenzverschleppung strafbar machen. Das deutsche Strafrecht kennt (bisher) keine Unternehmensstrafe. Das Unternehmen als solches kann sich daher nicht strafbar machen.
Insolvenzstraftaten werden bei jeder Insolvenz geprüft
Wird ein gerichtliches Insolvenzverfahren eingeleitet, ist gemäß der Vorschrift über die Mitteilungen in Strafsachen (MiStra) vom Insolvenzgericht auf jeden Fall eine Mitteilung an die Staatsanwaltschaft zu machen. Die Staatsanwaltschaft eröffnet ein Ermittlungsverfahren und prüft sodann, ob eine Insolvenzverschleppung erfolgt ist. Dabei prüft die Staatsanwaltschaft, wann die Zahlungsunfähigkeit nach §17 InsO bzw. die Überschuldung nach § 19 InsO eingetreten ist. Diese Begriffe werden durch die Insolvenzordnung bestimmt. Der Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung lässt sich oft nur durch ein Gutachten eines Sachverständigen (z.B. ein Insolvenzverwalter) ermitteln.
Was, wenn der Insolvenzantrag nicht rechtzeitig gestellt wurde …
Steht das Datum der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung sodann fest, wird geprüft, wann der Geschäftsführer einer GmbH oder der Vorstand einer Aktiengesellschaft den Insolvenzantrag gestellt hat. War die Antragstellung nicht an diesem Datum, sind zunächst einmal die objektiven – man könnte sagen die „hart“ überprüfbaren – Bedingungen einer Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung erfüllt. Allerdings muss der Insolvenzantrag nicht genau am selben Tag wie die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gestellt werden. Nach § 15 Absatz 1 InsO reicht es, wenn der Antrag „ohne schuldhaftes Zögern“ gestellt wurde.
Mythos der 3-Wochen-Frist zur Insolvenzantragstellung
Bezüglich der Frist für die Stellung eines Insolvenzantrags besteht der weitverbreitete Irrglaube , man hätte 3 Wochen Zeit, um den Insolvenzantrag zu stellen. Dies ist falsch. Richtig ist, dass in § 15a Absatz 1 InsO eine Höchstfrist geregelt ist, nach deren Ablauf ein Insolvenzantrag als verspätet gestellt gilt. Diese Frist darf der zu Antragstellung Verpflichtete aber nicht in jedem Fall ausschöpfen! Im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung regelt § 15 a InsO nämlich auch, dass der Insolvenzantrag ohne schuldhaftes Zögern zu stellen ist. Ansonsten begeht der Verantwortliche auch vor Ablauf von 3 Wochen eine Insolvenzverschleppung.
Was heißt ohne schuldhaftes Zögern?
Ohne schuldhaftes Zögern ist nicht gleichzusetzen mit sofort. Man darf also gewisse Überlegungen und Maßnahmen ergreifen, und muss nicht in jedem Fall sofort handeln. Hierzu gibt es eine umfangreiche Rechtsprechung. Da es sich hierbei um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, ist jedoch für den Geschäftsführer und für den Vorstand äußerste Vorsicht geboten. Ab diesem Zeitpunkt müssen Sie damit rechnen, dass der Staatsanwalt oder der Richter später eine andere Auffassung davon hat, wann Sie ohne schuldhaftes Zögern handeln mussten.
Kenntnis von der Krise erforderlich
Eine Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung setzt aber neben den objektiven Kriterien der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung die Kenntnis der Krise bei den zur Stellung des Insolvenzantrags verpflichteten Personen voraus. Da die Rechtsprechung beispielsweise bei der Frage, wann Zahlungsunfähigkeit vorliegt, die Zahlungsunfähigkeit von der sogenannten Zahlungsstockung abgrenzt, ist hier ein fließender Übergang von objektiven Bedingungen einer Strafbarkeit zum Vorsatz der Organe der Gesellschaft vorhanden.
Zahlungsstockung oder Zahlungsunfähigkeit?
Zahlungsunfähigkeit ist in § 17 Abs. 2 InsO wie folgt definiert:
„Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen“.
Damit nicht jede Firma, die heute eine Rechnung über 1.000,00 € erhält, aber nur 500,00 € auf dem Konto hat (und auch sonst keine Aktiva mehr besitzt), einen Insolvenzantrag stellen muss, grenzt die Rechtsprechung seit jeher die Zahlungsstockung von der Zahlungsunfähigkeit ab. Diesbezüglich hat der Bundesgerichtshof die Regel aufgestellt, dass eine Zahlungsstockung bis zur Dauer von 3 Wochen keine Zahlungsunfähigkeit begründet (BGH IX ZR 123/04, Entscheidung vom 24.05.2005). Erwartet die Firma also innerhalb dieser Frist noch einen Zahlungseingang, sodass die Rechnung beglichen werden könnte, liegt keine Zahlungsunfähigkeit vor. Bleibt die erhoffte Zahlung jedoch aus, schützt dies nicht vor Strafbarkeit. Auch aus dieser Rechtsprechung rührt womöglich der Mythos der 3-Wochen-Frist zur Insolvenzantragsstellung her. Dass aber auch in diesem Zusammenhang die Aussage, zur Stellung des Insolvenzantrags gäbe es eine Frist von 3 Wochen absolut falsch ist, wurde ja bereits oben erläutert. Wer heute (sicher) weiß, dass er seine fälligen Verbindlichkeiten nicht wird bedienen können, der muss auch heute den Insolvenzantrag stellen, nicht in 3 Wochen. Wie begründet die Erwartungen auf Besserung des Finanzstatus sein müssen, ist wiederum einer Abwägung im Einzelfall überlassen und eröffnet erhebliche Risiken, sich wegen Insolvenzverschleppung strafbar zu machen.
Anwaltliche Beratung in der Unternehmenskrise unverzichtbar
Lassen sie sich unverzüglich anwaltlich beraten, ob sie mit der Stellung des Insolvenzantrags noch warten können oder nicht. Auskunft hierzu können Ihnen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Fachanwälte für Insolvenzrecht oder Steuerrecht geben, in enger Kooperation mit Ihrer Buchhaltungsabteilung. Bereits in diesem Stadium macht es in vielen Fällen Sinn, einen auf Insolvenzstrafrecht und Wirtschaftsstrafrecht spezialisierten Fachanwalt für Strafrecht beratend in ihr Team einzubinden. Denn zum einen werden unbestimmte Rechtsbegriffe von der Strafgerichtsbarkeit mitunter anders definiert als von den Zivilgerichten. Zum anderen hat ein versierter Fachanwalt für Strafrecht aus seiner Praxis oft ein gutes „Judiz“ dafür, wann Handlungen der Geschäftsführung aus Sicht einer Staatsanwaltschaft den vertieften Anfangsverdacht einer Insolvenzverschleppung begründen können.
Frühzeitige Beratung durch Fachanwalt für Strafrecht sichern
Durch die Einbindung eines Fachanwalts für Strafrecht in ihr Beraterteam während der Unternehmenskrise haben Sie und auch die übrigen Berater einen kompetenten Ansprechpartner, der verlässlichen Rat zu Fragen der Strafbarkeit der Beteiligten geben kann. Da heutzutage auch Berater immer öfter als Beschuldigte in die strafrechtlichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft eingebunden werden, können durch frühzeitige krisenbegleitende Rechtsauskünfte und Rechtsgutachten die Mitglieder Ihres Teams vor eigener Strafbarkeit schützen. Außerdem haben alle Beteiligten Sicherheit darüber, wo die Grenze zwischen „grau“ und „schwarz“ spätestens überschritten wird.
Schon der „böse Schein“ einer Straftat bedeutet oft ein jahrelang laufendes Ermittlungsverfahren
Und auch in die „Grauzone“ einer Insolvenzverschleppung möchten Sie auf keinen Fall geraten, wenn es sich vermeiden lässt. Gerade eine frühzeitige Stellung des Insolvenzantrags garantiert oft die Fortführung des Unternehmens. Ein jahrelang laufendes Ermittlungsverfahren, weil man den Antrag zu spät gestellt hat, hilft da weder dem Organ (Vorstand, Geschäftsführer), noch der Gesellschaft in der Folgezeit, zumal die endgültige Klärung schlimmstenfalls nur in einer Hauptverhandlung vor Gericht erfolgen kann.
Das Risiko weiterer Insolvenzstraftaten im Blick behalten
Da es in jeder Krise schwer fällt, einen kühlen Kopf und einen klaren Blick zu bewahren, bestehen gerade in der Unternehmenskrise für die zur Stellung des Insolvenzantrags verpflichteten Organe erhebliche Risiken, sich bei der Vermeidung einer Insolvenzverschleppung anderweitig strafbar zu machen. „Fight Fire with Fire“ ist in dieser Situation nicht der richtige Ansatz, das Problem zu lösen. Oft begehen Unternehmer auch ohne jede Not weitere Straftaten, in dem Bemühen, eine bereits eindeutig feststellbare Insolvenzverschleppung vermeintlich noch vermeiden zu können. All dies lässt sich durch frühzeitige Beratung durch einen Fachanwalt für Strafrecht vermeiden.