Anfangsverdacht

Von einem Anfangsverdacht spricht die StPO, dann wenn „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ für das Vorliegen einer Straftat gegeben sind (vgl. § 152 Abs. 2 StPO). Es müssen konkrete tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die nach kriminalistischer Erfahrung dafür sprechen, dass ein Verdächtiger an einer konkreten Straftat als Täter oder Teilnehmer beteiligt war. Die Straftat muss zudem verfolgbar sein.

Nicht ausreichend sind somit bloße Vermutungen, es könne eine Straftat gegeben sein.

§ 152 StPO – Anklagebehörde; Legalitätsgrundsatz

(1) Zur Erhebung der öffentlichen Klage ist die Staatsanwaltschaft berufen.

(2) Sie ist, soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist, verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen.

Liegt ein solcher Anfangsverdacht vor, sind die Strafverfolgungsbehörden jedoch auch zur Aufnahme von Ermittlungen verpflichtet und können nicht einfach von Ermittlungen absehen. Dieser Grundsatz nennt sich Legalitätsprinzip.

Verfolgbar ist eine Straftat nur dann, wenn keine erkennbaren Verfolgungshindernisse (z.B. „Taten“ eines – schuldunfähigen – Kindes) vorliegen.

Ein Anfangsverdacht kann sich beispielsweise aus Strafanzeigen ergeben, aber auch aus amtlich bzw. dienstlich erlangten Erkenntnissen (Mitteilungen in Strafsachen, Insolvenzakten, Presseberichte).

Nur ausnahmsweise muss ein Polizist oder Staatsanwalt bei privat erlangten Kenntnissen von Straftaten Ermittlungen aufnehmen, nämlich immer dann, wenn die strafbaren Handlungen und eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung sowie dem privaten Interesse des Amtsträgers am Schutz seiner Privatsphäre angesichts der Schwere der Straftat ein Überwiegen des öffentlichen Interesses ergeben. Dies ist vor allem bei schweren Straftaten der Fall.

Mit dem Anfangsverdacht wird eine Hürde für den Beginn von Ermittlungsmaßnahmen bei der Staatsanwaltschaft und der Polizei errichtet. Ein Tatverdächtiger ist somit vor einer willkürlichen Annahme eines Anfangsverdachts geschützt.

Ermittlungsbehörden versuchen aber häufig, durch sogenannte „Vorermittlungen“ erst die konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Strafat zu ermitteln. Gegenüber einem Tatverdächtigen wird zu diesem Zweck beipielsweise eine sogenannte „informatorische Befragung“ durchgeführt. Ob solche Ermittlungsmaßnahmen zulässig sind, ist äußerst umstritten. Hier empfiehlt es sich als Befragter, gegenüber den Beamten darauf hinzuweisen, dass man Zweifek an der Zulässigkeit solcher Maßnahmen hat und gerne mit einem Fachanwalt für Strafrecht sprechen möchte.

Der Anfangsverdacht ist nur eine von 3 Verdachtsstufen, welche die Strafprozessordnung kennt. Der Anfangsverdacht ist abzugrenzen vom hinreichenden Tatverdacht (§ 170 StPO, § 203 StPO) sowie vom dringenden Tatverdacht (vgl. z.B. § 112 Abs. 1 StPO). Der Anfangsverdacht ist der geringfügigste Verdachtsgrad, den die Strafprozessordnung kennt.